Kein Instagram, kein Facebook – warum ich nicht auf Social Media unterwegs bin

Eine Person hält ein Smartphone an einer weißen Wand hoch, darüber ist ein Graffitti zu sehen, das ein rotes Like-Herz zeigt

Karsten Winegeart I Unsplash

Dieser Text ist schon gute fünf Jahre alt, aber es ist Zeit, ihn anzupassen. Denn in den letzten fünf Jahren ist viel passiert. Gesellschaftlich, wie auch bei den diversen Kanälen wie Instagram, Facebook, X, oder TikTok und dem zum Dick-Pik-Medium verkommenen Snapchat.

Neuseeland verbietet bis 2026 Social Media für Menschen unter 16 Jahren, Australien ebenfalls. Und ich? Ich begrüße das. Lies hier, warum.

 

Social Media ist mein Heroin

Vorneweg, ich lüge, wenn ich sage, ich war gar nicht konsequent nicht auf Instagram und Facebook unterwegs. Und ich bin auch eine Heavy-Userin von Pinterest.

Allein, ich bin immer wieder schnell weg von Instagram. Bin ich aus Recherche-Zwecken darauf, oder wollte einfach mal wieder die schöne Seite von einem sozialen Medium erleben, also die Inspiration, die durchaus ihre Berechtigung hat, dann verlor ich mich sofort und aus dem Stand heraus. Wie ein Heroin-Addict, der von jetzt auf gleich wieder auf seinem Stoff ist. Und das ergibt Sinn: Ich habe einen ausgeprägten Suchtcharakter und diese Medien sind exakt dafür konzipiert, um meine Synapsen auf FOMO (Fear Of Missing Out) zu stellen. Ich will mehr, mehr, mehr, der Algorithmus hat mich fest am Wickel und peitscht mich durch den Feed.

Ach, Social Media. Du ständige Verlockung. Bindest uns an dich und hast dich zu unserem meist genutzten Kommunikationskanal entwickelt. Du sammelst unauffällig unsere Daten, und dein Geschäfts-Modell ist so klug, wie perfide: Wir ziehen uns für dich aus, ganz freiwillig! Und bieten dir so 24/7 kostenfreien Content, den du vermarkten kannst und der wiederum dazu führt, dass noch mehr Menschen ihre Zeit mit dir verbringen. Dabei beteiligst du uns nicht an deinen Erlösen. Du erfindest nicht aus purem Altruismus immer neue Funktionen wie Filter, Reels oder Direct Shopping. Du willst unsere Nutzungszeit erhöhen, um so noch mehr Social Ads zu verkaufen.

Im Grunde mache ich mir also mein Selbstbild kaputt, um grottigen Marken wie SHEIN oder temu einen neuen Werbekanal zu ermöglichen.

Wir wissen das. Und trotzdem schaffen viele den Absprung nicht, zu verlockend das Ganze. Der Dopaminrausch ist wie beim Drogenkonsum, unser Gehirn liebt den Rausch. Auch unsere Sprache ist betroffen:

Auf einer Party gab ich einer Frau ein Kompliment für ihr Kleid. Ein paar Stunden später trafen wir nochmal aufeinander und sie sagte „Ach, du bist doch die, die vorhin mein Kleid geliked hat!“. Äh, ja.

Moderne KUnst zeigt Mutter und Kind am offenen fenster zum Abschied winkend.

Europeana I Unsplash

Ein endgültiger Abschied: Kein Meta mehr für mich

Deshalb gilt für mich die Ganz-oder-gar-nicht-Policy. Ich lösche die Apps, ja mittlerweile habe ich sogar alle Konten auf Meta gelöscht, das hat glasklar politische Gründe. Mark Zuckerbergs unerträgliches Speichelgelecke von Donald Trump und die größenwahnsinnige Statue für seine Frau waren für mich der endgültige Punkt, Abschied von Marc zu nehmen. Auch WhatsApp habe ich gelöscht, Zuckerberg erhält keinen Cent mehr. Du findest mich nur noch auf Signal.

Ja, das cuttet soziale Kontakte. Gebe ich zu. Viele Menschen habe ich dadurch aus den Augen verloren. Aber ist das wirklich schlimm, im Gegenteil. JOMO (Joy Of Missing Out). Ich brauche nicht jeden Müll in jeder WhatsApp-Gruppe mitzubekommen und bin viel mehr bei mir und viel weniger am Handy. Außer bei Pinterest, denn das ist mein Wallpaper- und Rezepte-Heaven. Zudem poste ich dort selber Content, aber um dort erfolgreich zu werden, muss man viel Geld investieren. Das tue ich nicht und der Erfolg ist mir nicht wichtig. Der Blog läuft ohne weitere Social Media, dadurch habe ich viel weniger Leser*innen, aber mir geht der Inhalt vor Klickzahlen. Lieber blogge ich hier anständige Texte, als Microblogging auf Instagram, wo die Aufmerksamkeitsspanne der User*innen immer weiter abnimmt, weil sie gar keine Texte mehr lesen können, sondern nur noch Reels konsumieren. Brain rot, so das Wort des Jahres 2024.

Die Revolution frisst ihre Kinder: Wenn selbst die Erfinder ihr Produkt für giftig halten

Facebooks Ex-Vice-Präsident, Chamath Palihapitiya, hatte auf einer viel beachteten Podiumsdiskussion an der Stanford Graduate School of Business gegen Facebook, Instagram und Twitter (heute X) gesprochen. Und gegen den digitalen Kapitalismus im Allgemeinen. Er sagte, die Gesellschaft, wie wir sie kenne, wird zerstört werden. Durch eben diese Abhängigkeit von Dopamin-Likes und aufgrund der Tatsache, dass dein digitales Ich nicht das reale Ich darstellte. Soziale Netzwerke untergrüben somit die Kernfundamente des menschlichen Verhaltens. Und er ging sogar noch weiter: Er verbiete seinen Kindern die Nutzung von diesem „Scheiß“. Das unterstreicht auch eine Studie der DAK: Social Media kann süchtig machen.

Wenn ich heutzutage junge Mütter mit Kleinkindern im Bus oder auf der Straße sehe, die ihren Kindern ein Smartphone hinhalten, um sie ruhig zu stellen, um sich nicht mit den Kindern beschäftigen zu müssen. Und diese 2-Jährigen dann noch Pommbären in den kleinen Mund geschoben bekommen, dann weiß ich, was da auf uns gesellschaftlich zukommt.
Und nach jeder Minute auf Instagram bleibe ich zurück, mit dem unangenehmen Gefühl von: Ich bin nicht schön genug, nicht fit genug, nicht reich genug und nicht erfolgreich genug. Aber wenn ich kaufe, kaufe, kaufe, dann erreiche ich das instagrammable Leben, da auf dem Screen. Ich bin nur einen Klick entfernt vom puren Glück.

Ein Wolkengebilde am Himmel bildet CO2

Matthias Hyde I Unsplash

Deshalb bin ich nicht auf Social Media unterwegs

Aber es gab noch einen zweiten, mindestens ebenso wichtigen Punkt, mit Social Media vorerst Schluss zu machen. Laut „The Shift Project“ verursacht die digitale Nutzung von Plattformen wie TikTok und Instagram sowie das Online-Streaming auf zum Beispiel YouTube mehr CO₂ als der weltweite Flugverkehr. Jedes Bild, das auf Instagram hochgeladen wird, verursacht also auch einen Klima-Impact auf unsere Welt. Videocontent ist noch viel schlimmer. Überspitzt formuliert: Gehe ich in den Fair Fashion-Laden, kaufe mir eine klimaneutral produzierte Jeans und poste anschließend dazu etwas auf meinem Account, hätte ich auch gleich konventionell hergestellte Jeans kaufen können. Mal abgesehen von den technischen Produkten wie Telefon, Glasfasernetzkabel, Routern und den Serverfarmen, die weltweit rund um die Uhr in Betrieb sind, um unser Online-Leben zu gewährleisten.

Ein iPad liegt auf einer Decke, auf dem Screen ist zu lesen: Mental Health matters

Emily Underworld I Unsplash

Hat Social Media auch Vorteile?

Frage ich Menschen, warum sie noch digital unterwegs sind, kommt immer erst das persönliche Netzwerk, dann meist die Angst, etwas zu verpassen und dann seltener, weil oft von den meisten nicht mal selbst erkannt: die Flucht. So wie Extrem-Sportler*innen sich immer mehr antreiben, um nicht stillstehen zu müssen, so ballern wir Menschen unser sowieso schon picke packe volles Leben mit noch mehr Ablenkung zu. Weil wir im Grunde so erschöpft sind, so voller Ängsten, Sorgen und Zweifeln, die wir nicht fühlen wollen, dass der neuste TikTok-Trend oder Reels des/der liebsten Content-Creator*in uns hervorragend davon ablenken. Bis wir ins Bett fallen und unser armes Gehirn so on ist, dass wir Schlafstörungen bekommen. Oder einfach keine Ruhe mehr aushalten können. Baller, baller, baller. Hier lege ich euch ans Herz, praktiziert die Ruhe. Sei es mit Atemübungen, mit sanften Bewegungen oder einem Tee-Ritual. Unser Gehirn braucht dringend Ruhepausen. Langfristige Schäden an unserem Gehirn sind noch nicht erforscht. Aber kurzfristige Studien legen nahe, dass unsere Aufmerksamkeitsspanne rapide nachlässt. Nicht gut, Leute.

Fazit: Meine fünf Jahre (fast) ohne Social Media

Es gibt also diverse Gründe für mich, mit dem Social Media aufgehört zu haben:

  • Politische Gründe – meine mentale Gesundheit opfern für den Profit der Tech-Billionäre? Hell, no! Mal abgesehen von den Steuerntricksereien

  • Nachhaltige Gründe – Social Media zerstört unsere Atmosphäre

  • Gesellschaftliche Aspekte – Depressionen, Essstörungen, erkrankte Kinderhirne

Die Amalfiküste ist hier zu sehen, im Meer liegen Boote

Selin Erkan I Unsplash

Und was soll ich sagen: Ich habe überlebt! Ich überlebe ohne die neusten Reels von Nara Smith, ich brauche keinen Jesus Glow Content, ich finde AI-Bilder furchtbar, ich brauche keine unfassbar schönen Bilder von der Amalfiküste, die mich nur innerlich ungenügend fühlen lässt. Da bestelle ich mir mit meiner Biokiste lieber Zitronen, mache mir eine prima Limo daraus und lege mich mit einem Buch in den Garten. Okay, und surfe vielleicht mal auf Pinterest. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch.


Das Cover zum Buch "Digital Minimalism" zeigt einen Netzwerkstecker auf himmelblauem Hintergrund

Shorty: Buchtipps für Digital Detox

Für alle, die Lust haben, sich näher mit der Thematik zu beschäftigen, kommen hier drei gute Buchtipps:

Digital Minimalism: dreht sich um den radikalen Ansatz des ‘digitalen Ausmistens’, weshalb der Evening Standard dazu auch schrieb: 'Digital Minimalism is the Marie Kondo of technology'.

Digitale Demenz: Deutschlands bekanntester Hirnforscher Manfred Spitzer geht mit Apps, Gaming und Social Media hart ins Gericht und plädiert für minimale digitale Nutzung für Kinder und Jugendliche.

Unfiltered: Social Media und unser Körperbild von Dr. Julia Tanck: beleuchtet den desaströsen Blick auf unseren Körper und daraus entstehende ernstzunehmende Krankheiten.

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